Zum Hauptinhalt springen

Mit schwerer Seele zum Erfolg

Im 6020-Interview spricht Kabarettistin Marina Lacković alias Malarina über das Brechen von Erwartungshaltungen, den Vorteil des Hochstapler-Syndroms, die verlogene Tiroler Freundlichkeit und die künstlerische Strategie, sein eigenes Ärgernis zu verkörpern.

6020: Dein Kabarettkollege Hosea Ratschiller hat nach der Premiere deines neuen Programms „Trophäenraub“ gemeint: „Der Olymp ist nun dort, wo Malarina ist.“ Die Kritiken fielen ähnlich hymnisch aus. Was macht so viel Lob mit dir? Marina Lacković alias Malarina: Viel! Richtige berufliche Wertschätzung habe ich ja erst erfahren, seit ich Kabarettistin bin. Und das gibt mir auch das Gefühl, dass ich hierhergehöre. Noch dazu, wo das zweite Programm ja wirklich beängstigend ist, weil man sich entscheiden muss, was man tut. Bedient man die Erwartungshaltung oder bricht man sie komplett? Und das ist nicht leicht. In meiner Fahrlässigkeit hab ich ja nicht einmal Vorpremieren gespielt: Ich hab das Stück geschrieben und am Premierenabend zum ersten Mal erfahren, wie sich das mit Publikum im Saal verhält.

Offenbar sehr gut. Wie wirkt sich das auf das Hochstapler-Syndrom aus, das ja angeblich an dir nagt? Ich frag mich oft, ob es wirklich die Menschen mit Hochstapler-Syndrom sind, die ein Problem haben, oder nicht eher die ohne? Erfolg hat sicher mit Talent und der richtigen Themenwahl zu tun, aber es gehört auch immer ein gewisser Glücksmoment dazu. Deshalb finde ich es nicht schlecht, wenn man sich eine gewisse Demut bewahrt. Ich für meinen Teil will sie nicht ablegen.

Du warst 29, als du im „Politically Correct Comedy Club“ in Wien erste Kabaretterfahrungen gesammelt hast. Wieso hat es dich nicht früher auf die Bühne gezogen? Mein Plan war es eigentlich, kreativ zu schreiben, weshalb ich Komparatistik inskribiert habe – was nicht sonderlich gscheit war. Wer künstlerisch tätig sein will, sollte nicht die Theorie hinter seiner Kunst studieren. Das friert dein künstlerisches Schaffen ein. Man kann nicht gleichzeitig Kritiker und Künstler sein.

Wie wurde dein Schaffen aufgetaut? Geschrieben hab ich ja immer – seit ich denken kann. Weil ich für jemanden, der eine Komikerin ist, eine verhältnismäßig schwere Seele habe, waren meine Texte aber zunächst eher tragisch. Bis mir immer mehr Leute gesagt haben, dass ich doch auch mal was Lustiges schreiben soll – was mir sehr leichtgefallen ist. Eines Tages traf ich dann Denice Bourbon (Anm. queerfeministische Mitgründerin des „Politically Correct Comedy Club“), die meine Texte sehr toll fand und mich auf die Bühne holte.

Dein erstes Programm „Serben sterben langsam“ wurde dann aber von Corona ausgebremst. So ist es. Am 13. März 2020, es war passenderweise ein Freitag, war die Premiere im Kabarett Niedermair in Wien geplant – blöderweise war das der Start des ersten Lockdowns. Die Premiere wurde daraufhin auf Oktober verschoben. So richtig ins Spielen bin ich dann aber erst im Frühling 2021 gekommen. Ein Jahr später hab ich meinen Brotjob in der Onlineredaktion vom ORF aufgegeben – und seit da bin ich „nur“ noch Kabarettistin.

In „Serben sterben langsam“ hast du eine Balkanfrau mit FPÖ-Faible verkörpert, in „Trophäenraub“ will diese Serbin nun Erbin werden. Um ans alte Geld zu kommen, baut sie auf die ÖVP. Was ist mit deiner Bühnenfigur Malarina passiert? Sie kann nicht gut mit Geld umgehen und hat gedacht, dass das, was sie verdient, mehr oder weniger ihr Shopping-Budget ist. Dann melden sich allerdings das Finanzamt und die SVS und sie muss die absurdesten Summen zahlen. Dabei hatte sie eigentlich geplant, sich eines Tages ein Haus in Hietzing zu leisten. Schließlich hat ihr ja die FPÖ eingeredet, dass man sich durch harte Arbeit alles selber schaffen kann. Danke für nix! In Hietzing trifft sie dann auf eine Frau, die auch vom Balkan kommt und im Gegensatz zu den Hietzingern gern über Geld redet: Ihr Haus hat sie von ihrem Mann geerbt, der das wiederum von seiner Familie geerbt hat. Da fasst Malarina den Plan, auch Erbin zu werden – um endlich einmal etwas steuerfrei zu verdienen!

Dein erstes Programm hast du fast 400-mal gespielt, auch jetzt ist dein Terminkalender wieder extrem dicht. Werden Auftritte da nicht irgendwann zur faden Routine? Ein Programm entwickelt sich weiter, es wird besser, weil man verschiedene Säle bespielt und vor unterschiedlichen Crowds auftritt. Mein Beruf ist ein Privileg – ich liebe ihn, weil ich ja auch Menschen liebe. Das Schönste für mich ist, dass meine Säle so heterogen sind: Bei mir sitzen die bürgerlichen Kabarettfans, die mich von Ö1 kennen, neben Leuten, die migrantisch sind – und deshalb kommen. Und dann gibt’s noch die Jungen, die kommen, weil sie mich aus dem Internet kennen. Außerhalb dieses Saals würden sich diese Leute wohl nicht begegnen. Das gibt mir das Gefühl, dass meine Arbeit etwas Verbindendes leistet.

Du warst fünf Jahre alt, als deine Familie mit dir von Serbien nach Innsbruck gezogen ist, wo du deine Kindheit und Jugend verbracht hast, ehe du 2011 nach Wien „geflüchtet“ bist, wie es auf deiner Homepage heißt. Warum die Flucht? Wien galt damals als unfreundlichste Stadt der Welt. Und ich habe diese Tiroler Freundlichkeit immer als sehr nervtötend empfunden, weil sie so falsch und unauthentisch war. Ich bin ein sehr sensibler Mensch und ich merke, wenn etwas fake ist. Darum hab ich Tirol zuweilen nicht gut ausgehalten. Ich ertrage es viel besser, wenn mich jemand in der U-Bahn anmotzt, als wenn er mich angrinst, ich aber etwas Aggressives in den Augen erkenne. Aber da bin ich vielleicht etwas speziell.

Zur Person:

Marina Lacković (geb. 1990) zog mit fünf Jahren mit ihrer Familie von einem serbischen Dorf nach Innsbruck, von wo aus sie 2011 die „Flucht“ nach Wien antrat, wo sie Komparatistik inskribierte und in der Onlineredaktion des ORF arbeitete. Inspiriert von Elisabeth T. Spiras „Alltagsgeschichten“ entwickelte sie ihre Kunstfigur Malarina, der sie Ende 2019 das Kabarettprogramm „Serben sterben langsam“ auf den Leib schrieb. Dafür erhielt sie u. a. den Österreichischen Kabarett-Förderpreis, den Salzburger Stier und den Deutschen Kleinkunstpreis. Im März 2025 feierte ihr zweites Programm „Trophäenraub“ in Wien Premiere. In Tirol ist das Programm erstmals am 8. Mai im Innsbrucker Treibhaus zu sehen. Am 6. und 7. November gastiert sie damit im Kulturlabor Stromboli in Hall.

Das klingt nicht gerade nach großer Innsbruck-Liebe. In der Zeit, in der ich in Innsbruck gelebt habe, hatte ich oft das Gefühl, dass die Bevölkerung aus der Öffentlichkeit verdrängt wird. Vergleichbar mit Salzburg, wo es ja auch kaum noch Plätze gibt, wo Jugendliche ohne Konsumpflicht einfach abhängen können. Das hat mich gestört.

Hat in deiner Schulzeit jemand erkannt, was für ein kreativer Geist in dir steckt? Ich hatte an der HAK Innsbruck einen Lehrer namens Stefan Raab, der mich darin bestärkt hat, kreativ zu schreiben. Das war aber der Einzige. Jahre später habe ich ihm dann geschrieben und mich bedankt. Er lebt mittlerweile in Stuttgart und kommt immer, wenn ich dort spiele. Das ist urcute.

Schlussfrage: Magst du die Trophäenfrau, die du verkörperst, eigentlich? Nicht besonders. Aber ich mochte auch die Figur aus „Serben sterben langsam nicht“. (lacht) Weißt du: Wenn du dein eigenes Ärgernis spielst, dann ist das schriftstellerisch eine elegante Lösung, um auf niemanden mit dem Finger zu zeigen. Ich kann mich rhetorisch um mich selbst drehen. Ich bin das Problem. Das ist leichter, als den Leuten im Saal zu sagen, dass sie das Problem sind. Das will ja keiner hören.

Text: Christiane Fasching
Foto: Franz Oss