„Das Saallicht wird dann natürlich nicht ganz runtergedimmt. Außerdem zeigen wir weder düstere noch total komplizierte Filme. Auf dem Programm stehen meistens englische oder deutsche Wohlfühlfilme, die man vielleicht schon mal gesehen hat. Damit man auch mitkommt, wenn das Strickstück mal Vorrang hat“, erklärt die 32-Jährige, die von dem anhaltenden Ansturm noch immer überrascht ist. Die Altersspanne im Saal ist dabei enorm: Teenager stricken genauso wie Ruheständler:innen. Nur Judith und Luisa kommen nicht dazu, ihrem Hobby nachzugehen. Luisa lacht: „Es ist immer so viel los, dass wir im Kino noch gar nicht zum Stricken gekommen sind.“
Übrigens: Auch in Innsbruck wurde bereits im Kino gestrickt. Und zwar im Metropol. „Aber die Filme liefen immer nur am Nachmittag. Für arbeitende Leut ist das halt eine blöde Zeit“, sagt Margit, die – wie ihre centralen Mitstrickerinnen – mehr als offen für die Einführung einer cineastischen Knit-Night wäre. Bei Mario Hueber, dem Geschäftsführer vom Metropol-Kino, stößt sie damit auf offene Ohren. „Die Stricknachmittage im Kino waren damals privat organisiert. Wenn sich wieder jemand findet, der mit so einer Idee an uns herantritt, dann sind wir da grundsätzlich ganz offen“, sagt Hueber. Wohlfühlfilme gäb’s ja zur Genüge und an der strickenden Zielgruppe dürfte es auch nicht mangeln.
Knitting is a science.
Zurück im Café Central, zückt Karin gerade ihre Edelstahlnadeln, die sie in einem schmucken Etui verstaut hat. Knapp 180 Euro kosten die Dinger. „Stricken ist kein billiges Hobby: Ein gutes Knäuel Wolle kostet gerne mal 20 Euro. Bei einem Pulli bist du da allein mit den Materialkosten bald mal bei mehreren 100 Euro“, sagt Karin, die in ihrer Freizeit selber Wolle färbt, Strick- und Häkelanleitungen schreibt und verkauft und auf Instagram unter @rock-sheep_wolle ihre Leidenschaft zur Schau trägt. Dass das Stricken sein angestaubtes Image längst verloren hat, ist laut Karin in erster Linie dem World Wide Web zu verdanken. „Die Anleitungen, die man im Internet findet, haben überhaupt nichts mehr mit dem Stricken unserer Omas zu tun. Es eröffnen sich jetzt unfassbar coole Möglichkeiten, die es früher einfach nicht gab“, sagt sie und vertieft sich wieder in eine Anleitung, die ob ihrer Komplexität den Laien mehr als ratlos zurücklässt. Nichts da mit zwei links, drei rechts. Knitting is a cience.
„Die Stricksprache ist Englisch. Wenn man uns zuhört, könnte man meinen, dass da ein paar Computernerds beisammen sitzen“, lacht die Knit-Fluencerin. Steffi lacht auch. Nämlich über sich selbst und ihre Tendenz, laut vom „Knitten“ und vom „Purlen“ zu reden. Noch lieber spricht sie aktuell aber grad über die „Sock Madness“, bei der Teile der Gruppe ganz fanatisch mitmischen. Die Vorrunde zum Sockenschnellstrick-Wettbewerb ist bereits geschafft. Jetzt müssen „nur“ noch sieben weitere Runden überstanden werden, damit man am Ende dann was eigentlich gewinnt? „Die Ehre“, sagt Steffi. Und lacht schon wieder. Knitting is obviously fun too!
Trendiges Schneuztüchl.
Für Mette Wendelboe Okkels ist Stricken obendrein ein Megageschäft. Die dänische Designerin, die hinter dem erfolgreichen Label „PetiteKnit“ steckt, entwirft und verkauft seit knapp zehn Jahren Strickmuster für Frauen, Männer und Kinder jeden Alters. Und hat sich damit eine goldene Nase verdient. So geht die Anleitung für den europaweit gehypten „Sophie Scarf“ auf ihre Kappe: Das putzige Strickhalstuch in Mini-Schalform hat sich in den vergangenen Monaten zum Must-have für Fashionistas gemausert und Okkels’ Kontostand damit noch weiter nach oben getrieben. Denn arm war die Dänin, der auf Instagram mehr als 1,2 Millionen Menschen folgen, davor auch nicht.
Im Café Central schneidet der „Sophie Scarf“ indes nicht so prächtig ab. „Das ist doch nur ein Schneuztüchl“, moniert Steffi. „Ein totales Anfängerding“, ereifert sich Elisabeth. „Unter unserer Würde“, resümiert Karin. So was bekämen die woll-lustigen Damen auch mit geschlossenen Augen hin. Oder unterm Tisch beim nächsten Teams-Meeting.