n der Eduard-Bodem-Gasse Nr. 6 läutet das Telefon: „Kind und Kegel, grüß Gott“ meldet sich Andrea Krösbacher gut gelaunt und winkt noch schnell zwei Kundinnen, die gerade das Geschäft verlassen. Die Kundin am anderen Ende der Leitung hat auf der Internetseite eine Babytragetasche entdeckt und möchte diese jetzt telefonisch reservieren. Andrea sagt zu – auch wenn ihre Seite nur ausgewählte Stücke des Sortiments zeigt und kein Onlineshop ist, ist telefonisch reservieren möglich.
Seit elf Jahren betreibt Andrea die größte Secondhand-Kindermoden-Boutique in Tirol und hat zurzeit so viele Kunden wie noch nie. „Derzeit habe ich 800 bis 900‚ Lieferanten’ in meiner Kartei und die Tendenz ist stark steigend“, erzählt sie und kassiert schnell zwei Babyfläschchenwärmer. Andrea bezeichnet sich selbst als „pingelig“ und nimmt nur gut erhaltene Stücke an. „Die Preise lege ich in Abstimmung mit den Verkäufern fest.
Oft habe ich dann sogar Neuware um weniger als 50 Prozent des Normalpreises im Sortiment.“
Stammkundin Monika ist auf der Suche nach Hosen und Oberteilen für ihre sechsjährige Tochter. „Bei einer Hose bin ich mir leider nicht sicher. Wie schaut es mit Umtauschen aus?“ Andrea kann beruhigen: „Kein Problem, innerhalb von sieben Tagen und mit Preisetikett mach ich das gerne.“
„Derzeit habe ich 800 bis 900 ‚Lieferanten‘ in meiner Kartei und die Tendenz ist stark steigend.“
Andrea Krösbacher
Haben wollen.
Auch im Internet boomt die Schnäppchensuche. Was früher das schwarze Brett im Supermarkt war, ist jetzt die Kleinanzeige im Onlineportal. Auf willhaben.at gibt es kaum etwas, das es nicht gibt: von Immobilien über Autos und Jobs bis hin zu einem offenen Marktplatz für Gegenstände und Dienstleistungen jeglicher Art. Vor kurzem haben angebotene Rennskier von Skistar Marcel Hirscher für Aufregung gesorgt. Der Verkäufer ist unbekannt, die Anzeige wurde inzwischen gelöscht. Gegründet 2006 in Wien, ist die Webseite inzwischen der größte Onlinemarktplatz Österreichs. Zusätzlich ist willhaben.at eine der meistbesuchten Internetseiten in Österreich. Die Abwicklung eines Kaufs erfolgt meistens per Nachricht, Privatinserate sind kostenlos.
Flohmarkt in der Hosentasche.
Die App „shpock“ geht noch weiter – sie bringt den Flohmarkt aufs Handy. Der Name ist einVerkürzung aus „Shop in your pocket“. Bücher, Autos, Küchengeräte, Hemden oder Musikinstrumente? Ruckzuck werden die entsprechenden Angebote aufgelistet. Das Besondere: Die Ergebnisse werden nach Entfernung vom eigenen Standort sortiert. Das Kaufen und Verkaufen wird so in der Regel eine Sache der persönlichen Begegnung, ein „Face to Face“-Geschäft quasi mit unkomplizierter Geldübergabe. Alle, die kein Smartphone ihr Eigen nennen, können „shpock“ auch auf dem PC benutzen. Nach Ebay ist „shpock“ mittlerweile die größte mobile Marktplatz-App im deutschsprachigen Raum. Experten gehen davon aus, dass sich der Handel in den nächsten Jahren überwiegend aufs Handy verlagert. Gegründet wurde dieses Unternehmen in Wien – von drei Freunden.
Suche Schuhe, finde Freunde.
Einen großen Schritt in Richtung Netzwerk geht die Shoppingplattform Kleiderkreisel: im Vordergrund steht der „Community-Gedanke“. User präsentieren ihre Sachen selbst als Models, geben Stylingtipps, tauschen sich über Nachhaltigkeit aus und schreiben sogar eigene Blogs. Die Sachen werden nicht nur verkauft, es wird auch fleißig verschenkt oder getauscht. Der Gedanke dahinter: stilvoll gegen Verschwendung kämpfen. Auch offline ist Kleiderkreisel aktiv: Seit kurzem werden in ganz Deutschland und Österreich regelmäßig kostenlose Tausch-Partys veranstaltet, Ende März fand die erste in Innsbruck statt. Mit dabei: eine Bar, ein DJ und viele „Tauschwütige“.
Auch offline ist kleiderkreisel aktiv: seit kurzem werden regelmäßig kostenlose tausch-partys veranstaltet.
„Wir wünschen uns, dass Secondhand erste Wahl wird“
Die Macher des Shopping-Portals Kleiderkreisel sind drei Freunde aus Deutschland: Susanne Richter (27), Sophie Utikal (27) und Martin Huber (35). Susanne Richter ist 6020 Rede und Antwort gestanden.
6020:
Wie ist die Idee zu kleiderkreisel.de entstanden? SUSANNE RICHTER: 2008 bin ich als Studentin mit meiner Freundin Sophie Utikal in den Semesterferien durch Osteuropa gereist, per Couchsurfing. Dabei sind wir auch auf der Couch von Justas Janauskas in Vilnius, Litauen gelandet, der uns von seiner gerade gegründeten Plattform www.manodrabuziai.lt, der litauischen Schwester von Kleiderkreisel, erzählte. Wir waren sofort von dem Konzept begeistert. Ungefähr ein halbes Jahr später klingelte unser Telefon in München und Justas fragte uns, ob wir das Konzept in Deutschland umsetzen möchten. Neben Studium und Nebenjob haben wir, zusammen mit unserem Mitstreiter Martin Huber, die Seite aufgebaut und uns schnell das wichtigste Know-how eines Unternehmers aneignen müssen, vom Marketing bis zur Buchhaltung. Wir kommen aus vollkommen fremden Fachrichtungen und hatten am Anfang überhaupt keine Ahnung, was eine Bilanz ist und wie man am besten eine Internetseite bewirbt.

Wie schnell seid ihr erfolgreich geworden? Bereits Anfang Januar 2010 hatten wir die ersten 1.000 Mitglieder gewonnen, ein Jahr später bereits 40.000 und heute sind es 1,5 Millionen Mitglieder, davon ca. 47.000 in Österreich.
Ihr werdet als „Share Economy“-Pioniere bezeichnet, was heißt das? Kleiderkreisel beruht auf dem Prinzip der Collaborative Consumption – ein Begriff, der ein wirtschaftliches Modell auf der Basis des Tauschens und Teilens von Produkten bezeichnet. Das spart nicht nur Geld, sondern schont auch die Umwelt. Von Carsharing über Mitfahrzentrale bis Couchsurfing wird Collaborative Consumption bereits in den unterschiedlichsten Modellen gelebt.
Warum ist eure Plattform so erfolgreich? Die Plattform hat sich mit der Community entwickelt. Kleiderkreisel ist viel mehr als nur eine Handelsplattform, sondern eine Social Community. In einem eigenen Forum wird über Fashion, Trends und Lifestyle, aber auch über ökologische Alternativen diskutiert.
Ihr wollt der Verschwendung von Ressourcen entgegenwirken. Wie sehr lebst du diese „grüne Ader“ auch persönlich? Ich fahre nur öffentlich und alle meine Klamotten habe ich über Kleiderkreisel erstanden.
Wie schaut die Zukunft von kleiderkreisel.de aus? Wir wünschen uns, dass Secondhand erste Wahl wird. Wir wollen, dass sich junge Leute vor dem Kauf neuer Kleidung zuerst fragen, ob es das nicht schon auf Kleiderkreisel gibt.
Vielen Dank fürs Gespräch.